10 Jahre Dokublog

Arbeit an der Wirklichkeit

Es ist schon immer gefiltert, vorsortiert und zubereitet, was wir im Radio hören. Selbst bei einer live-Reportage hängt es davon ab, wo das Mikrofon steht, allein welches wir auswählen, ob mono, stereo oder 5.1 ist entscheidend, und welche Perspektive der Reporter einnimmt, was er sieht, erkennt und zu berichten weiß. Die Wirklichkeit im Radio ist immer auch die Wirklichkeit des Radios selbst. Das offenzulegen, damit umzugehen, zu spielen, war und ist eine der Ideen, die hinter dokublog.de steht.     Auf der Internet-Seite versuchen wir transparent zu machen, daß ein Feature stets aus mehreren Elementen besteht, O-Tönen, Sprecher-Texten, Geräuschen und Musiken, die kunstvoll zusammengefügt, Wirklichkeit erst herstellen. Auf dokublog.de ist es möglich, diese Ingredienzen einzeln kennenzulernen. Die Autoren werden aufgefordert, sie zusammen mit ihrem Feature hochzuladen und entsprechend auf der Seite zu verlinken. Und andere Autoren dürfen sie für neue Arbeiten weiter verwenden, die dann wieder auf dokublog.de stehen. So kann der Weg eines O-Tons durch mehrere Feature verfolgt werden und ein ganzes Geflecht von Tönen und Geschichten entstehen. Jeder Besucher von dokublog.de kann sich daran beteiligen.       Bereits 1953 war für den Autor und Redakteur Alfred Andersch Feature „Montage-Kunst par excellence“. Die Montage des akustischen Materials steht dabei im Vordergrund. Es gibt aber noch ander Zugänge: Interviews lassen sich musikalisieren, Zitate singen, und manchmal sagt das Geräusch eines fallenden und zersägten Baumes, einer Gewehrsalve oder der Ruf eines Kuckucks mehr als ein Autor in Worte fassen könnte. Auch wenn das storytelling, der Reporter, der Erzähler gerade wieder eine Renaissance erleben, Feature können mehr: sie laufen Wirklichkeit nicht nur hinteher, bilden sie nicht nur akustisch ab, sie lassen sie im Hörer entstehen. Das geht auch mit O-Ton-Collagen, Soundscapes und Kompositionen.   Inzwischen werden Feature als podcast angeboten, das lineare Radio ist nicht mehr der einzige Verbreitungsweg. Die ARD Audiothek gibt einen guten Überblick, über die Vielfalt der Feature Produktionen, die in der Themen-Rubrik „Doku & Reportage“ zu finden sind. Hier kann ein Hörer stundenlang und unabhängig vom jeweiligen Programm Feature genießen. Was dieses sich ändernde Nutzungsverhalten bedeutet für die Entwicklung der Radiophonie,  auch das ist Gegenstand von Diskussionen auf dokublog.de. In Essays, Blogs und Interviews diskutieren Fachleute, Wissenschaftler und Praktiker. In der SWR2 Sendung „Mehrspur. Radio reflektiert“ finden sie sich wieder neben anderen medienkritischen Beiträgen und Audios von dokublog.de.   Hördokumentationen, Feature, KurzDokus und ihre Autoren sind seit 5 Jahren außerdem auf dem deutschlandweit einzigartigen Dokumentarfestival DokKa in Karlsruhe unmittelbar zu erleben. Im Nebeneinander mit Dokumentarfilmen und dokumentarischen Installationen erweist sich ihre eigene Kraft. Auch hier ist der Bogen weit gespannt, alle Möglichkeiten des Dokumentierens von der Reportage über Essayistisches bis zu experimentellen Formen dokumentarischer Ars Acustica können hier gehört und diskutiert werden. Sie verlassen den Kontext des Radioprogramms und begeben sich in den öffentlichen Raum eines Kinos. Die Möglichkeiten, die Radio bietet,  sind noch lange nicht ausgeschöpft.

 

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