Sau des Monats - 05.12.2010

Steffen Grimberg

Steffen Grimberg, Medienredakteur der TAZ, über den Familienstreit im Hause duMont. Man muss die Sau rauslassen. Und sie durchs Dorf treiben. Das bringt Aufmerksamkeit. Auflage. Aufregung. In Köln am Rhein haben sie das Prinzip jetzt revolutioniert: Hier treibt sich die Sau selbst, und das auf eine Art und Weise, die auch gestandene Beobachter des Medientzirkusses vor Vergnügen quieken lässt. Denn wie sich das Medienhaus M. DuMont-Schauberg gerade selbst zerlegt, ist großes Theater. Das Ganze ist trotz virtuellen Vatermords allerdings beileibe nicht Shakespeare. Sondern eher großbürgerliches Melodram mit Hang zur Operette. Und gleichzeitig ein Lehrstück in Sachen Selbstrefentialität der Medien. Die Rollen sind dabei perfekt besetzt. Besser, als das jede Castingshow mit oder ohne Dieter Bohlen hinkriegen würde: Vorweg ein einundvierzigjähriger Jungunternehmer als Jungschwein. Mit erkennbar biodynamisch angehauchten Ambitionen. Die Bloggospähre ist seine neuen Heimat. Auch wenn er sich in ihr eher mal verheddert und verwirrt und dabei auch noch zu Selbstgesprächen neigt. Dazu ein agiler Alter. Beileibe kein Greis trotz seiner über 80 Jahre, eher ein gut abgehangener Schöngeist. Der sich jetzt aufs Altenteil zurückziehen will. Bücher schreibt. An die Zukunft der Zeitung glaubt – auch der gedruckten. Und der den Junior zwar als Erben und Nachfolger auserkoren hat – aber dann doch nicht machen lassen will. Nicht loslassen kann. Und der wie ein alter Keiler immer noch austeilt, das letzte Wort hat. Die Rotte führt. Klassisches Familiendrama eben – und eine grandiose Schweinerei Dabei ist DuMont ein honoriges Unternehmen. Verlagspatriarch Alfred NevenDuMont wird als einer der letzten echten Verleger von Schrot und Korn gefeiert. Dem Rendite eben nicht alles ist. Bei dem publizistische Verantwortung immer noch etwas gilt. Der notfalls auch lange finanzielle Durststrecken in Kauf nimmt, um angeschlagene Blätter wie die Frankfurter Rundschau zu sanieren. Und der tief in die Tasche greift, um Verlage wie den der Berliner Zeitung von bösen Finanzinvestoren zurückzukaufen. Bei so einem geht Familientradition über alles: In der 12. Generation, führt ein Neven DuMont das Haus. Doch jetzt ist Schluss. Dabei war der Stab eigentlich schon so gut wie übergeben: An Konstantin Neven DuMont, den 41jährigen Sohn des Alten. Der arbeitet seit 15 Jahren im Verlag mit. Saß bis vor drei Wochen im Vorstand. Stand als Herausgeber stolz im Impressum diverser Titel bei Deutschlands viertgrößtem Zeitungshaus. Saß. Stand. Doch nun vergeht beinahe kein Tag, ohne dass sich Konstantin Neven DuMont nicht in irgend einem Medium zu Wort meldet und bitter klagt. Über den Vater, der nicht loslassen kann und will, aber muss. Über den Verlag, in dem sich viele gegen ihn, den Junior, verschworen haben. Und das auch noch ausgerechnetin Springers Bild-Zeitung. Dem einzigen Organ, das zu Hause in Köln am Rhein nicht aus dem DuMont-Stall kommt. Bei Springer wissen sie diese Steilvorlage gegen den ungeliebten Konkurrenten trefflich zu nutzen. Besser als trefflich Schließlich ist für sie Neven DuMont Senior mehr als Ekel Alfred, weil DuMonts Express sich eben immer noch erdreistet, Bild und damit dem Marktführer in Sachen Boulevard das Leben schwer zu machen. Und so wird Alfred in Bild zur „lebenden Tragödie“, der seine Dynastie nicht im Griff hat. DuMont lässt das nicht auf sich sitzen und treibt die Sau weiter: Juristisch will man gegen die so ganz eigene Springer-Kampagne vorgehen. Der Presserat ist schon angerufen. Mit Eifer sei man von den lieben Kollegen anderer Zeitungen zu einem Lieblingsthema mit Fortsetzung auserkoren worden, schreibt Alfred schon vor zwei Wochen in einem internen Brief an alle Verlagsmitarbeiter, der nur ein Ziel hat: Möglichst schnell nach draußen zu kommen. Der Vater kanzelt so halböffentlich den Sohn ab. Und der begreift das Schreiben als "Retourkutsche" - die "schon okay" gehe, schließlich habe er ja auch seinen alten Herrn ja auch "ziemlich angegriffen". Damit die Sache jetzt nach dem neuerlichen Schlagabtausch aber bitte nicht versandet, setzt Konstantin NevenDuMont seinerseits noch eins drauf: Er habe ja nun quasi "Berufsverbot", sagt er dem Spiegel. Fordert via Bild auf, ihn doch einfach auszuzahlen und stellt dem Haus auf diversen Kanälen ein Ultimatum. Worauf sie bei DuMont ihrerseits zurückschießen, mit dem nun wohl entgültigen Aus für den umstrittenen Junior. Die Sache wird langsam langweilig. Die Sau droht stecken zu bleibem im beschwerlichen Morast des Medienalltags. In diesem eigentümlichen Grundrauschen, dass sich liebend gern mit sich selbst beschäftigt. Und dem doch so schnell an und mit sich selbst langweilig wird. Doch die Sau rennt tapfer weiter, befeuert vom Echo in der Branche – und verspricht immer neue Fortsetzung: Wenn er ausgezahlt werde, sagt Konstantin Neven DuMont, möchte er ein eigenes Medienunternehmen aufmachen. Eine journalistische Internetplattform will er gründen – für Medienkritik. Damit kenne er sich ja schließlich aus. Es klingt wie eine Drohung.

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