Kleiner Lichtblick

Internetradio aus dem Wohnzimmer

Nach den Klagen über die Politisierung der Radiolandschaft heute ein paar Zeilen zu einem meiner Lieblingsprojekte der spanischen Medienlandschaft: Radio Cable. Seit 1997 sendet das Internetradio aus dem Wohnzimmer einer Madrider Privatwohnung und hat dadurch tatsächlich die spanische Radiolandschaft revolutioiert. Klingt abgegriffen, trifft es in diesem Fall aber tatsächlich. Nach einem Monat tauchte die Seite www.radiocable.com in einem Ranking der 30 besten Kommunikationsmedien der Welt auf, neben Washington Post und Wall Street Journal. Auch bei den spanischen Medienpreisen ist Radio Cable regelmäßig dabei.

Der Erfolg liegt zuvorderst an Macher Fernando Berlín, der in seinem Programm La cafeterea täglich die politische Lage seziert. Er beweist, dass es für guten Radiojournalismus keinen großen, teuren Apparat braucht. In gebauten O-Ton-Collagen lässt Berlín die politischen Ereignisse Revue passieren, diskutiert dann darüber mit Politikern und Journalisten Einzelaspekte, meist per Telefon, manchmal auch im Wohnzimmer. Auch die (Ex-)Präsidenten Felipe González, José-Luis Rodríguez Zapatero und José Maria Aznar saßen schon bei Berlín auf der Dachterasse und setzten sich danach aufs schwarze Ledersofa. Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass Berlín in der Radioszene bestens vernetzt ist. Seine Schwester Macarena Berlín ist Anchor Woman bei Cadena Ser, dem meist gehörten privaten Hörfunksender Spaniens. Das erleichtert auch die Kontaktaufnahme zu Politikern. Der Vorteil gegenüber den „Großen“: Das „Klitschenprinzip“, die schlanke Struktur, macht Radiocable ungreifbar gegenüber politischem Druck. Die redaktionellen Leitlinien stehen im Netz: Man verpflichte sich zu ehrlicher, mutiger, wahrer und verlässlicher Information, weil eine gut informierte Gesellschaft eine gerechtere sei.

Ein weiteres Geheimnis des Erfolgs: Fernando Berlín ist gut in Sachen Social Media. Und damit meine ich nicht seine 125.000 Follower auf Twitter, sondern die Tatsache, dass er technische Mittel sinnvoll einsetzt. Hörer können über WhatsApp-Sprachnachrichten an Programmen teilnehmen, auf Twitter mitkommentieren, Vorschläge und Anregungen werden aufgenommen, auf sie wird eingegangen. Man könnte auch ganz altmodisch sagen: Die von Radiocable haben verstanden, wie Hörerbindung funktioniert – und sie als „Hörer-Einbindung“ interpretiert. Die „Radiofamilie“, wie Berlín sie nennt, wird vermutlich auch das jüngste Projekt zum Erfolg machen. Um weiterexistieren zu können, braucht das Projekt einen soliden finanziellen Unterbau. Daher haben die Macher eine Crowdfunding-Kampagne begonnen und wollen so viel Hörer wie möglich zu Mäzenen machen: Mit acht Euro im Monat ist man dabei. 680 Hörer machen bisher mit. Der spanischen Radiolandschaft wäre zu wünschen, dass es noch ein paar mehr werden.