Florian Rötzer

Vom Verschwinden des Radios im smartphone

Vom Verschwinden des Radios im smartphone. Von Florian Rötzer: Das Radio als Gerät und der Rundfunk als Technik verschwinden im Smart Phone, so könnte man kurz und knapp sagen. Sie werden zum Teil eines auch in einem Gerät verankerten Netzwerks an Kommunikations- und Informationstechniken und verlieren damit ihre Selbständigkeit. Noch gibt es, symbolisiert durch die Architektonik der Gebäude, Rundfunk-, Fernseh- oder Zeitungsredaktionen und einzelne Ausgabesysteme wie Radios, Papier oder Fernsehbildschirme, aber das sind zum Untergang verurteilte Dinosaurier, deren Überleben sich noch der gesellschaftlichen Trägheit verdankt, die nicht mit der Schnelligkeit der technischen und kulturellen Innovationen mithält. Mit der Digitaltechnik verschmelzen, wie schon länger prophezeit, die den herkömmlichen Massenmedien eigenen Medientechniken zu einem Universalmedium mit erheblichen Folgen. Zeitung, Buch, Fernsehen bzw. Video oder Rundfunk werden zu unterschiedlichen Ausgaben eines Universalmediums, das durch die neuen, mit durch die mit dem Internet verbundenen Plattformen Computer, Smart Phones, E-Books und anderen digitalen Geräte erweitert wird. Dazu kommt einschneidend, dass die zeitlich lineare Struktur vor allem von Radio und Fernsehen digital aufgebrochen wird, wodurch auch ein wesentliches Moment der audiovisuellen Massenmedien, die Gleichzeitigkeit, verloren geht. Die Medienkonsumenten rufen sich zeitlich selbstbestimmt die Informationen ab und samplen sie nach ihren Wünschen zusammen. Die Gesellschaften werden nicht mehr von den Massenmedien formiert, sondern durch ein zunehmend globales Medienuniversum mit einer Vielzahl von mehr oder weniger miteinander vernetzten Sendern von Schrift-, Ton- und Bildinformationen und vielen Möglichkeiten der Interaktion und Kommunikation. Dadurch bilden sich neue, mit den herkömmlichen Öffentlichkeiten verzahnende und verschwimmende Kommunikations- und Informationsräume heraus, redaktionell aufbereitete Medien müssen sich diesen anpassen und werden in Zukunft teilweise ebenso wie die Journalisten durch Algorithmen ersetzt, die automatisch mit mehr oder weniger Künstlicher Intelligenz Informationen sammeln, aufbereiten, aktualisieren und zusammenstellen. Geprägt wird die neue Öffentlichkeit davon, dass die MP3-Player, das Netbook und natürlich die Smartphones wie einst die tragbaren Radios, Kassettengeräte und Walkmans überall mitgenommen werden können. War man vor den Internet- und Handy-Zeiten kaum erreichbar, wenn man außer Haus war, so ist man dies nun immer und überall und schwimmt gleichzeitig mit dem Informations- und Kommunikationsfluss mit, in den man überall eingetaucht ist. Einsamkeit gibt es nicht mehr, auch das Wegsein ist verschwunden, die räumliche Distanz trennt nicht mehr, stets ist man ein- und angebunden, teilweise auch über die Erreichbarkeit durch das Handy, aber auch durch Audio, ob live oder abgespeichert, hörig. Schon mit den MP3-Playern hat man immer die Stimme von anderen Menschen bei sich, wird man also irgendwie angesprochen, ist man sozial eingebunden, was Smartphones und Kommunikationsdienste wie Twitter, Facebook, Chats oder Emails noch verstärken. Die noch bei vor allem älteren, von den Massenmedien geprägten Menschen zu findende Treue zu bestimmten Nachrichtensendungen oder Nachrichtenquellen wird mehr und mehr schwinden. Schon lange wird schließlich im Internet die Praxis eingeübt, nicht nur ein Medium zu besuchen, sondern sich über Surfen bei unterschiedliche Medien zu informieren oder gleich News-Aggregatoren zu benutzen, die anhand bestimmter Kriterien die News aller Medien bündeln und mit Schlagzeilen präsentieren. Die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook haben diese Komprimierung noch weiter vorangetrieben. Hier kann jede Information nur in kleinen Happen von 140 bzw. 340 Zeichen weiter gereicht oder erhalten werden. Der Unterschied zwischen Nachrichten etablierter Medien und anderen, etwa persönlicheren Informationen verschwindet oder wird unbedeutend. News erhält man oft über Freunde durch die sozialen Netzwerke, beispielsweise bei Twitter, wo persönliche Informationen von Freunden und Tweets von Organisationen, Medien oder Menschen, denen man folgt, durcheinander gemischt an einem vorbeiziehen. Für den Rundfunk deuten sich weitere Veränderungen an, durch die wie in anderen Bereichen Menschen durch smarte Maschinen ersetzt werden, wo es möglich ist. Schon länger können Texte automatisch vorgelesen werden, die Programme werden besser, die Stimmen lebensechter, was darauf hinauslaufen könnte, dass unter dem Kostendruck Sprecher weitgehend vor allem in der Nachrichtenbranche durch Text-to-Speech-Programme ersetzt werden. Da zudem die Erkennung natürlicher Sprache deutliche Fortschritte gemacht hat und Sprachprogramme flexibler werden, wird die sprechende und hörende Kommunikation zwischen personalisierten Maschinen, also Robotern oder virtuellen Bots, und Menschen auch flüssiger, lebendiger und anregender werden. Interviews oder Gespräche mit Zuhörern können dann auch teilweise ohne einen Reporter, Sprecher oder Moderator geführt werden. Die sprechenden Menschen, die nicht möglichst maschinenhaft, also neutral und distanziert, Nachrichten vorlesen, sondern mit ihren Stimmen ihre Persönlichkeit und die Bedeutung des Inhalts durchscheinen lassen, werden möglicherweise in teuren Nischenprogrammen landen. Gleichwohl bleibt die menschliche Stimme letztendlich das mächtigste Organ, das viel tiefer in die Mitmenschen einwirkt als dies Bilder und Texte vermögen, die bei allem Spektakel und bei aller Aufgeregtheit äußerlich, Anschauung, bleiben. Das Gehör, das man nicht wie Augen zuklappen, sondern nur mit Stöpseln oder paradoxerweise mit Ohrhörern verschließen kann, verleibt sich die akustische Umwelt ein, ähnlich wie dies beim Geruch und Geschmack der Fall ist. Um so wichtiger ist, was wir in uns aufnehmen. Zweifellos haben wir gegenwärtig aber mit der permanenten Sprach- und Musikglocke, in der wir uns bewegen, meist auch, um uns vor den Geräuschen der Hörumwelt zu schützen, eine Abwertung der Hörkultur geschehen lassen, der sich auch auf den Rundfunk auswirkt oder eher: diesen in großen Zügen prägt. Vermutlich wird die Zahl der Zeitgenossen steigen, die zunehmend dem Terror des Audiovisuellen entfliehen und lieber in einer selbstgewählten auditiven Wüste mit wenigen akustischen Oasen zum Niederlassen leben werden. Der permanente Musikstrom aus den unendlichen Tiefen der digitalen Speicher gerät zum Anschlag auf die Autonomie, jedenfalls zu einer Belästigung. Auch das in aller Regel munter aufgetunte Gerede, das meist aus dem Radio tönt, ist ebenso unerträglich wie die Attitüde der Nachrichtensprecher, die unbeeindruckt von der Art der Nachrichten von einer zur anderen ziehen, weil die Sendezeit gefüllt werden muss, weil die Linearität des Mediums unerbittlich ist.

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