Detlef Berentzen

Detlef Berentzen lebt als Autor und Journalist in Berlin. Schon seine Nachkriegsjahre gerieten ihm zu "Radio-Days": Er verbrachte als Kind viel Zeit vor einem freundlichen Röhrenradio namens "Telefunken Andante S", begann nach Lehre und Studium intensiv den Atem der Worte zu erforschen, schrieb Gedichte, politisierte für undogmatische Szenezeitschriften, begleitete die "taz" der frühen Jahre, deren Redaktion und Geschäftsführung er bis 1987 angehörte. Danach Funk und Fernsehen. Er hat für alle wichtigen Rundfunkanstalten Features und Dokumentationen zu Politik, Kultur und Literatur realisiert. Gerade neulich wurde sein Feature "Der Geschmack radikaler Lust" vom SWR2 und anderen Anstalten gesendet. Berentzen hat nie aufgehört, den sich ständig verändernden Tonspuren seines Lebens zu folgen. Fragt, liest, sammelt, sucht, schreibt, komponiert.....und bloggt seit Jahren unter dem Pseudonym "Dr. Feelgood" auf taz.de.

Radio Days (5)

23.10.2014

Ein paar U-Bahnstationen von meinem Schreibtisch entfernt sitzen sie jetzt beim Prix Europa und rollen nicht nur ob der TV-Präsentationen mit den Augen, sondern hören auch Radio aus großen Lautsprechern: Documentaries und Fiction aus Schweden, Irland, Finnland, Tschechien und sonstwo, hocken also im alten Funkgebäude, beim RBB in der Charlottenburger Masurenallee, meiner frühen SFB-Heimat, gegenüber ragt der Funkturm, den sie auch "Lulatsch" nennen, andere bereiten derweil schon begeistert die ARD-Hörspieltage in Karlsruhe vor, nur in München gibt man sich einfach nur smart, verdammt smart: “Smart ist das neue Buzzword 2014 in der Radioszene, zumindest wenn man sich die Themen der 28. Medientage München 2014 anschaut. Ob Radio am Smart TV oder Smart Radio am Smartphone!" Da kommt Jubel auf, die Form weiß nichts mehr vom Inhalt, alles digi, nur Mutti nicht. Schade, mir geht es eigentlich immer noch um die Inhalte. Ein bißchen hörbarer Eigensinn und fröhliches Selbstbewußtsein wären doch prima für das Radio, wo immer es hörbar gemacht wird.. Klar, die Stimmen bekommen ihre Monopolstellung nicht zurück, die sie noch in der Zeit meiner "Radio Days" hatten, aber die Bilderfluten und Werbetrommeln wecken das Bedürfnis nach Hören und Dialog. Nach Qualität und Außerordentlichem. Haben wir d a s alles dezidiert entworfen, können wir auch wieder von Form reden. Bis es soweit ist, erinnere ich mich heute noch ein letztes Mal an meine frühe Radiobiographie - Tage und Nächte des exzessiven Hörens waren das. Obwohl ich oft genug nicht hören wollte. Was allerdings nicht für das Radio galt. Das Radio erzählte mir Geschichte und Geschichten, die ich bis heute nicht vergessen habe. Weiterlesen...

Radio Days (4)

15.10.2014

Radio Energy ("Die größte internationale Radiomarke"), so vermeldet "Radiowoche.de" hat ein neues Funkhaus am Leipziger Platz.In Berlin.. Bringt uns das weiter, berührt mich das? Eher nicht. Aber: Die "Medientage" in München offerieren am 23. Oktober einen "Radiogipfel"! Aha, das törnt schon eher, steil wird's werden, hoch hinaus wollen die Veranstalter und haben private wie öffentliche-rechtliche Programmmacher aus den deutschsprachigen Ländern eingeladen: "Smart, mobile, social – Das neue Radiozeitalter". Hört sich funky an, genauso groovy wie das Postulat: "Die Radiostationen müssen dafür sorgen, dass sie und ihre Marke auf allen Kanälen für den Hörer auffindbar und empfangbar sind. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um die jungen Hörer zu erreichen und zur Interaktion zu bewegen."Yo, man!" Saß da nicht neulich eine Intendanz auf irgendeinem hochkarätigem Podium und klagte, daß ihr Sender jetzt immer wieder mal aus einem angesagten Club sendet und die Kids interessiert das einfach nicht? Alles anders. Alles smart. Und überall "Marken"! This is the end of the world as we know it. Weiterlesen...

Radio Days (3)

07.10.2014

"Hör dir doch nur mal an, wie die reden", sagte Barbara, "alles muss launig klingen, lustig, witzig, sogar der Verkehrsbericht, und wenn sie von einer Massenkarambolage berichten, wird der Bericht noch mit Musik unterlegt. Die trauen einem nicht zu, fünf sachliche Sätze in Ruhe anhören zu können." (Siegfried Lenz, „Fundbüro“ 2003). Weiterlesen...

Radio Days (2)

23.09.2014

„Rollentausch ist auch keine Lösung“, eine ziemlich alte Weisheit, doch wer als politischer Mensch auf sich hält, lässt von sich hören, also war es neulich auch der neue Biberacher Oberbürgermeister, den sie in Oberschwaben den „Zeidler“ nennen, der sich zeitweilig in die „GuteLauneMorningshow“ eines donaunahen Privatsenders verirrte, dafür den Moderator der Sendung auf Zeit als Bürgermeister hinter seinem Schreibtisch installierte und ihn dort Schokolade und Sekt an die Bürger verteilen ließ. Das ist verdammt lustig, das geht ran, volksnaher geht es nicht und nur so scheint man Demokratie und Bürgerbeteiligung retten zu können: mit Alkohol und Süßkram. Schade eigentlich. Weiterlesen...

Radio Days (1)

18.09.2014

"Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar. Wer, wenn nicht diejenigen unter Ihnen, die ein schweres Los getroffen hat, könnte besser bezeugen, daß unsere Kraft weiter reicht als unser Unglück. Ich glaube, dass dem Menschen eine Art des Stolzes erlaubt ist – der Stolz dessen, der in der Dunkelheit der Welt nicht aufgibt und nicht aufhört, nach dem Rechten zu sehen." (Ingeborg Bachmann, 1959, anlässlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden) Stimmen aus dem Radio, wie die der Bachmann, geben mir bis heute Halt und Sinn. Wieviel mehr aber brauchte ich sie als Kind! Meine eigene Geschichte ist Radio, braucht Radio, wird Radio. Immer wieder. Ich erinnere mich, daß das SWR2-Medienmagazin „Mehrspur“ eine Zeitlang mehr oder weniger bekannte Radiophonisten aufforderte, ihre Geschichten vom Radio zu erzählen, von seiner Bedeutung, seinem Stellenwert in ihrem Leben zu sprechen. Das hat mir gefallen. Kluge Analysen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Radios, des Podcasts und der avantgardistischen Radiokunst gibt es eine Menge, auch kritische, auch utopische und gut so. Doch sie alle sind luftig und spekulativ, brauchen festen Boden. Ich denke, es braucht so etwas wie ein Selbstvergewisserung. Gegen all die ratlosen Beschleunigungen der Programme sollte man Geschichten erzählen: von dem Hörer, der Geschichten braucht. Also auch das Radio. Weiterlesen...